WAS DIE MUTTER LIEBTE.
Eva Moll spürt in einer sehr persönlichen Installation in der Mato-Fabrik den Dingen nach, die vom Leben bleiben. (Regine Seipel, Frankfurter Rundschau, Februar 2007)
Offenbach - Es war ihr kleines Paradies auf Erden. Eine blühende Oase in jener scheinbaren Wildheit
und Ursprünglichkeit, die nur mit fachkundiger gärtnerischer Pflege gedeiht. "Meine Mutter hat fast
jede freie Minute in ihrem Garten verbracht", sagt Eva Moll. Deswegen hat sie diesen Aspekt in den
Mittelpunkt eines Kunstprojekts in der Mato-Fabrik gestellt, das mehr als nur eine Hommage an die mit
58 Jahren verstorbene Mutter ist. Mit "Bin im Garten" schuf die Künstlerin, die in Offenbach und New
York arbeitet, eine sehr persönliche Installation mit Fotos, Objekten und Malerei, die auf oberflächige
Huldigung verzichtet und stattdessen Fragmente von Erlebnissen, Assoziationen und Gefühlen weitergibt,
die ein Mensch im Leben hinterlassen hat.
"Meine Mutter war immer auch meine Förderin", sagt die 31-jährige Eva Moll. Sie unterstützte ihren
künstlerischen Weg, das Studium an der Kunsthochschule Kassel. Die Tochter lebte in New York, als
die Mutter, die 20 Jahre als Heilpraktikerin in Dietzenbach gearbeitet hatte, an Krebs erkrankte.
Eva Moll begleitete sie in den Tod und blieb in Offenbach. Zunächst flüchtete sie sich in Auftragsarbeiten. "Manchmal hilft Routine", erinnert sie sich. Erst langsam reifte der Wunsch,
sich auch bildnerisch mit dem Verlust zu beschäftigen.
Vom Schmerz abstrahiert
Dass die Ausstellung keine Trauerarbeit leistet, sondern von dem individuellen Schmerz abstrahiert,
macht ihren künstlerischen Reiz aus, noch besser wirkt sie, wenn Eva Moll die Hintergründe der einzelnen
Arbeiten erläutert. Die Schau beginnt mit Fotos, die die Mutter von Nischen, verborgenen Winkeln und
prächtigen Blütenständen in ihrem Garten machte, farbenfrohe Aufnahmen, die nicht kitschig wirken, weil
sie nicht den Anspruch erheben, Kunst zu sein, und dennoch mit ihrer Schönheit Sehnsüchte nach
Vollkommenheit wecken, wie sie die Natur manchmal am besten schaffen kann. Auf der gegenüberliegenden
Wand schlägt Eva Moll die Brücke zu der künstlerischen Erkenntnis, dass das bloße Abbild der Natur seit
Erfindung der Fotografie keinen Sinn mehr macht und zeigt drei expressive Landschaftsmalereien, die eine
Referenz an Emil Nolde sind.
Ihren eigenen künstlerischen Stil, Plastiken und Gemälde mit Pop-Art-Anklängen, phantastische
Märchenillustrationen und ornamentale Zeichnungen, zeigt die Künstlerin dagegen nur sehr zurückhaltend.
Eine Blüte aus dem Garten hat sie zum bunten Meer aus Farben und Formen inspiriert. Eine grell-kitschige
Gipsskulptur überzeichnet klassizistische Gartendekorationen und kehrt den biblischen Mythos um, indem sie
Eva mit dem Apfel als "Erlösung aus dem Garten Eden" erscheinen lässt. "Ich überreize gern Klischees und
ironisiere sie damit", sagt die Künstlerin.
Leise Melancholie
Der Tod spiegelt sich bei keinem Exponat in beklemmender, düsterer Form. Nur eine leise Melancholie ist zu
spüren, in der figurativen schwarz-weißen Chinatusche-Zeichnung etwa, auf denen die lesende Mutter im
Garten schemenhaft zu erkennen ist, oder stärker noch in der Installation mit welkem Laub aus dem Garten,
dessen Blattadern sich als Strukturen auf Leinwand wiederfinden und den Hintergrund für Eva Molls
"Getrocknete Tränen" bilden.
In diesem Zusammenhang gewinnt auch das einst rein funktionale Keramikschild, "Bin im Garten",
das Besucher ums Haus schickte, einen symbolhaften Sinn: die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod,
die Eva Moll auf diese Art einfühlsam zu verbreiten weiß.
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